Ein Outlet Center an einer Autobahn, mitten in Kailfornien in der Nähe von Palm Springs. Im Desert Hill Premium Outlet ist das ganz Jahr Schlussverkauf bei Dolce & Gabbana, Bottega Veneta, Prada und Valentino. Beim Besuch hat mich mein blinder Shopping-Fleck kalt erwischt.
1. Grundgesetz der Unvernunft: Es ist reduziert, ich muss es haben.
Welche psychologischen Mechanismen hier greifen, wurde im Wirtschaftsmagazin Brandeins einmal sehr treffend formuliert:
“Wir alle fallen regelmäßig einer „zeitweiligen Unzurechnungsfähigkeit“ zum Opfer, erklärt dort Colin Camerer, Professor für Verhaltensökonomie am California Institute of Technology (Caltech) in Pasadena: „Uns sitzt ein wilder Affe auf der Schulter, der uns ständig Entscheidungen einflüstert.“
Und das lohnt sich: Outlet Center haben als Vertriebskanal für Retouren, Restposten und B-Ware mittlerweile richtig Gewicht, teilweise wird Ware extra für die Outlet-Stores produziert. Für viele Markenhersteller (59 % laut einer Studie*) ist die Profitabilität ihrer Outlet Stores besser ist als jene der eigenen Markenstores in den Innenstädten. Kurz: Die Kunden kaufen wie verrückt und lassen sich dabei von den roten Prozent-Schildern blenden. Der Sonnenbrillen-Klassiker Wayfarer von Ray Ban kostet im Outlet von Saks Fifth Avenue 99 Dollar. Bei Mister Spex gibt es das Model aktuell für 89,01 Euro. Im Gegensatz zum Outlet-Shop inklusive Rückgaberecht.
Stolz zählt man (und ich auch) dann nach einem Trip in das Disneyland für Markenfreunde die Rabatte und Ersparnisse auf. Dabei hat man überhaupt nicht gespart, sondern Geld ausgeben. Mehr als man wollte, für Stücke die man nur aus einem Grund wirklich besitzen wollte:
2. Grundgesetz der Unvernunft: Es ist von Saint Laurent, ich muss es haben.
Der wilde Affe hat nämlich viele Gesichter. Ich wurde beim Bummel durch das Outlet permanent auf meine „wunderschöne Tasche“ angesprochen. Ein vier Jahre altes Modell von Aldo, dass ich zufällig wieder herausgekramt hatte. Envelope-Cut mit Schulterriemen, schwarzes Leder mit schwarzen Nieten.
Nicht besonders auffällig und eher ein durchschnittliches Stück, statt Heiliger Gral, den man im Staubbeutel fein säuberlich im Regal aufbewahrt und niemals bei Regenwetter trägt. Als sogar die Verkäuferin in der Valentino-Boutique die Tasche lobte, dämmerte es mir: Die Tasche wurde für ein Modell von Valentino aus der extrem populären Rockstud-Serie gehalten – nur deswegen verzückte der Anblick der Tasche. Ein schönes Lehrbeispiel, wie konditioniert wir auf Luxusmarken sind. Beschämt stellte ich die Schuhe zurück, die ich gerade im Visier hatte, und fragte mich, ob ich dieses Paar auch so anhimmeln würde, wenn Tamaris auf der Sohle stünde. Das schmerzhafte Eingeständnis. Würde ich nicht.
Keine Frage. Bei vielen Designerstücken sieht und spürt man den Unterschied. Fingerdicke Seide, raffinierte Drapagen oder ein scharf geschnittener Anzug – kunstfertige Stücke verdienen Begeisterung. Aber nicht immer ist der Enthusiasmus gerechtfertigt.
Besonders deutlich wurde mir diese Wahrheit beim Anblick der vollgestopften Kleiderständer im Designer-Outlet. Hier ein Dior-Kleid um 70 Prozent reduziert, da eine Céline-Tasche um 30 Prozent reduziert. Im ersten Moment hielt ich sie sogar für Designer-Kopien, weil sie so umspektakulär wirkten. Während der Shopping-Tempel Barney’s in New York einem luxuriösen Schlaraffenland gleicht, wirken die Designer-Pieces im Outlet des Deparmentstores geradezu wie Ramsch. Abgetretener Teppich statt schickem Mamorboden, grelle Beleuchtung und unordentlich präsentierte Ware statt handverlesenem Arrangement. „Alles muss raus“. Und damit leider auch der Zauber. Wie verstoßene Geliebte hängen die Kleider dort. Traurig und wenig begehrenswert. Aber ziemlich heilsam.
Interessanterweise funktioniert das Gesetz der Unvernunft auch dann, wenn es sich nicht einmal um das Designerstück handelt. Als ich die Kopie des Rag & Bone-Sweaters aus der Spring/Summer 2014 Kollektion bei H&M für 30 Euro entdeckte, war ich einem hysterischen Anfall nahe und habe, nach rund einem Jahr bewusster H&M-Abstinenz, wie ferngesteuert den Pullover bestellt.
Rag & Bone versus H&M
Dass mich ein Strickpullover mit V-Ausschnitt von H&M so in Aufregung versetzt, ist völlig irrational, denn es ging ja gar nicht um die Kreation selbst. Der Pullover passte zum Tennis-Trend, wurde auf Streetstyle-Blogs hoch und runter gefeiert und war überall ausverkauft. Und der Affe flüsterte. Sicherlich auch ein unbewusstes Motiv: der „Fame“ den man von Fashion-Freuden dafür erntet, dieses Designerteil als Schnäppchenvariante geschossen zu haben.
Bei jedem einzelnen Kleidungsstück sollte man einmal ehrlich in sich hineinhören: Würde ich das schwarze Kleid jetzt auch zum Sterben schön finden, wenn es von einem High-Street Filialisten oder völlig unbekanntem Label wäre? Ist der Schnitt des Blazers wirklich gelungen oder gerate ich nur ins Schwärmen, weil auf dem Etikett Helmut Lang steht? Würde ich diese Schuhe wirklich tragen, oder stehen Sie eigentlich nur der ausgeflippten Djane im Szeneladen? Ich werde ab jetzt ein Fuchs sein und den Affen verjagen. Manchmal.
Bilder: Modepilot (I.Braun), H&M, Catwalkpictures.com
*Quelle: Textilwirtschaft
Der Beitrag Shopping-Grundgesetze erschien zuerst auf Modepilot.