Exklusiv: Inès de la Fressange über dies, das & mehr

Wenn man sich bei einem Press-Junkett auf den billigen Plätzen am Ende des Tages wieder findet, gibt es zwei mögliche Szenarien: Entweder hat der Interviewte nach gefühlten 500 Interviews überhaupt keine Lust mehr und bockt. Oder man sitzt jemand total Aufgedrehtem gegenüber, der sich dem Ende bewusst ist und deshalb alle Zügel lockert.

Letzteres war der Fall bei meinem Interview-Slot mit Inès de la Fressange anlässlich ihrer zweiten Modekollektion für Uniqlo, die im Sommer in die Läden kommt. Die Pariserin wollte vor allem eines: Nicht mehr über sich sprechen und startete mit einer wirren Charme-Attacke.

Modepilot-Interbiew-exclusiv-Ines_de_la_fressange-Fashion-Blog

Aber lest selbst:

Barbara Markert alias Parisoffice: Dass wir nun bei Uniqlo Inès-de-la-Fressange-Mode kaufen können, ging durch nur, weil sie wieder die Rechte an ihrem Namen besitzen, oder?

Inès de la Fressange [leiert genervt]: Das ist tatsächlich etwas kompliziert. Der Name gehörte der Unternehmung Inès de la Fressange. Sie wurde im Juni 2013 zurückgekauft und damit hatte ich auch wieder das Recht an meinem Namen. Parallel hatte mich Uniqlo kontaktiert für eine Kollektion. Drei Monate früher wäre das gar nicht gegangen, weil ich meinem eigenen Namen gar nicht nutzen konnte.

[Eine Sprechpause setzt ein. Inès de la Fressange setzt sie sich gerade hin und beugt sich zu mir nach vorne.]

Aber viel wichtiger ist: Woher stammt ihre Bluse?

PO: COS, letzter Winter.

Inès d-l-F.: Hm. Die Farbe ist super. So was haben wir leider nicht in der Kollektion.

PO: Kommen wir also zu Ihrer Kollektion. Was sollen wir Deutschen kaufen, damit wir so pariserisch wie Sie aussehen?

Inès d.l.F.: Ihre Bluse

[A.d.R.: Ich ließ nicht locker und habe es dann doch noch raus bekommen, was man kaufen soll. Hier steht es.]

Modepilot-Interbiew-exclusiv-Ines_de_la_fressange-Fashion-Blog

PO: Die Sommerkollektion Inès de la Fressange ist nahezu ausverkauft. Aber ich habe gehört, dass Ende April noch Nachschub kommt. Was denn?

Inès d.l.F.: Ach, das ist der Part „Soufle de Parisienne“ [übersetzt so etwas wie „Der Schnaufer der Pariserin“]. Das ist Sportswear-Mode. Dabei weiß ich gar nicht, was Sport ist.

PO: Aber sie haben mir in einem anderen Interview erzählt, dass sie mit dem Boxen anfangen wollten.

Inès d.l.F.: Das stimmt und das habe ich sogar gemacht. Es ist ziemlich genial. Zuerst bekommt man solche Bänder um die Hand gebunden und dann kommen die Box-Handschuhe. Ich habe ganz Tolle aus rotem Leder. Um mich zum Sport aufzuraffen, muss ich mich stimulieren. Das einzige, was bei mir wirkt, ist ein schickes und gut aussehendes Sport-Outfit. Natürlich will ich auch nicht so eine große, schreckliche Short anziehen müssen. Ich wollte Hosen, die wie Jogginghosen sind, aber nicht so weit nach oben gehen und auch unten nicht so weit sind.

PO: Und? Kann ich so eine Hose bei Uniqlo in der Souffle-Kollektion kaufen?

Inès d.l.F.: Oh ja. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie kompliziert es ist, ein stinknormales Sport-T-Shirt zu designen. Das ist eine Wahnsinnsarbeit! Es muss aus einem angenehmen Stoff sein, gut geschnitten… und in normalen Farben. Ich verstehe gar nicht, warum beim Sport für Mädchen alles in so komischen Farben sein muss wie Rosa, Mauve, Violett, irgendwelche Pastelltöne oder „ausgedrückte Himbeere“. Das ist doch furchtbar!  Warum kann das nicht Weiß, Schwarz, Marineblau oder Cremeweiß sein? Nur weil wir Sport treiben, müssen wir uns doch nicht verkleiden? Unter uns: Ich rede hier nun so rum, weil Sportklamotten mir vor allem dazu dienen, gemütlich zuhause zu bleiben.

PO: Ok, was tragen Sie auf dem Sofa?

Inès d.l.F.: Das gibt es diese Hosen aus dem Ballett, die bequem sind und gut aussehen. Es gibt schließlich keinen Grund, hässlich auszusehen, nur weil wir zuhause rumlungern und amerikanische Serien im Fernseher gucken, bei denen wir rein gar nichts kapieren. Immerhin wohnen zuhause die Menschen, die wir mehr als alles Andere auf der Welt lieben.

 Ines 4

PO: Kommen wir zu neuen Winterkollektion. War denn von Anfang klar, dass die Kooperation zwischen Ihnen und Uniqlo in eine zweite Runde geht?

Inès d.l.F.: Ja. Wissen Sie, ich bin in dieser Kooperation das verwöhnte Kind. Naoki [Takizawa] macht alles, um mir Vergnügen zu bereiten. Ich weiß nicht, ob er das macht, weil er mich noch nicht lange kennt.  Vielleicht wird später ja unangenehm.

[Naoki Takizawa, Kreativdirektor von Uniqlo lächelt höflich.]

PO: Herr Takizawa, die bekannte Koop Uniqlo x Jil Sander dauerte mehrere Jahre. Könnten Sie sich vorstellen auch länger mit Inès zusammen zu arbeiten?

Naoki T.: Oh ja, Inès hat ständig neue Ideen und mir hat die Zusammenarbeit sehr viel Freude gemacht. Ich denke, wir könnten das ausdehnen.

Inès d.l.F.: 10 Jahre!

Naoki T.: Warum nicht? Diese Kollektion kommt von Herzen und das ist faszinierend. Wer weiß, vielleicht sollten wir über 20 Jahre nachdenken.

Inès d.l.F.: Nein, 20 Jahre – das ist zu lang! Dann sind wir ja schon richtig alt. Zwar noch am Leben, aber wir sitzen im Rollstuhl.

Naoki T.: Ist das schlimm? Mein Großvater kauft auch bei Uniqlo.

Inès d.l.F.: Siehst du, wir sollten über bessere Zugänge in den Läden für Rollstuhlfahrer und alte Leute nachdenken.

PO: Herr Takizawa, wie fühlt sich das an, mit einer typischen Französin zusammen zu arbeiten?

Naoki T.: Die Franzosen arbeiten sehr viel mit Emotionen.

Inès d.l.F. [unterbricht]: Ich denke, meine Kollektion bringt einen bisschen Frivolität in diese technisch ausgerichtete, nüchterne Linie. Ich bin hier sozusagen für den Girly Touch zuständig.

Naoki T.: Drücken wir es so aus: Wir geben dem coolen, modernen Trend des Hauses eine neue Beauty.

Inès d.l.F.: Wissen Sie, die Japaner denken immer, dass sie vernünftig und diszipliniert sind.  Aber im Grunde sind die alle ziemlich crazy. Aber natürlich dürfen sie das nicht zeigen. Also schicken sie mich vor und sagen, dass ich crazy wäre.

PO: Inwiefern?

Inès d.l.F.: Weil ich Blumen-Dekors und Muster haben wollte. Für den Winter. Blumen in Winter! Sie erlaubten mir, verrückt zu sein, aber im Grunde sind sie sehr viel verrückter als wir Franzosen. Insgeheim freuen sie sich, dass es da eine wie mich gibt, die alles das Verrückte will, was sie auch selbst wollen. Das nennt man dann den „French Touch“. Dabei ist das gar nichts typisch französisches, sondern durchaus japanisch. Nehmen wir die Drucke, die kommen teilweise aus deren Kultur. Manchmal musste ich das Japanische regelrecht aus ihnen herauslocken.

PO: Glauben Sie denn der Kunde erkennt in der Kollektion den „French Touch“ der Inès de la Fressange? Mir sagte heute eine Frau, dass sie nicht sicher sei, ob Sie in Deutschland noch bekannt wären. Die Frau ist 25 Jahre alt, die kann sie gar nicht kennen. Die ist ja viel zu jung.

Inès d.l.F.: Eben! Wir sind nämlich alt und haben graue Haare. Wir sind so alt, dass wir Karl Lagerfeld noch aus der Zeit kennen, als er sich die Haare puderte und dick war. Die jungen Leute kennen Lagerfeld nur in dünn, mit schwarzen Jeans und coolen Ringen am Finger. Wir dagegen kennen ihn aus der Zeit, als er noch Anzüge trug. Sogar Tweed-Anzüge und Krawattennadel! Wir sind so alt, dass wir Lagerfeld kannten, als er alt war. Heute ist er ja ganz jung geworden!

[Auch Naoki Takizawa, übrigens früher Art Direktor bei Issey Miyake und schon länger in der Pariser Modeszene unterwegs, muss herzlich lachen.]

Aber jetzt mal ernst: Es ist gar nicht schlimm, wenn die Leute mich nicht mehr kennen. Ich hatte meinen Ruhm, meinen Namen riesengroß in Leuchtschrift… Ich war sogar in der Letterman-Show! Das alles hatte ich schon. Dass man mir gratuliert, das brauche ich nicht mehr. Wenn die Leute meine Mode begutachten und sie dann kaufen, dann freut mich das sehr. Letzte Woche war ich im Laden und die Dame neben mir starrte nur auf die Kleider. Die nahm gar keine Notiz von mir.

Ines 3

PO: Was denken denn ihre eigenen Töchter von der Kollektion?

Inès d.l.F.: Ach, die beschweren sich ständig: „Mama, du hast uns versprochen, dass wir ganz viele Kleider haben werden. Wo sind die denn jetzt?“ Und ich antworte dann immer: „Tja, leider ausverkauft!“ Meine Tochter, sie ist 14 Jahre alt, wollte unbedingt dieses eine lange schwarze Kleid, das vorne offen ist. Für mich ist das der Stil der Anna Magnani. Meine Tochter kann diesen Filmstar aus den 50ern gar nicht kennen, aber sie wollte unbedingt dieses Kleid. Nicht die T-Shirts, nicht die Khaki-Hose, nicht die Nylon-Jacke, nein, sie wollte dieses lange, schwarze Kleid. Gestern habe ich endlich eines im Laden gefunden in XS und sofort gekauft. Man versteht das nicht. Die Jugend ist komisch. Sie haben völlig andere Ideen. Wie sollen wir wissen, was die jungen Leute mögen? Deshalb muss man auch in der Erziehung umdenken und sich ihrer Referenzen bedienen. Früher sagte man: „Lauf ordentlich, lächele!“ Heute sage ich eben: „Sei so wie Leonardo di Caprio auf Titanic.“ Das versteht sie dann.

PO: Die Kooperation mit Uniqlo ist  –  so habe ich gehört – nur der Startschuss zum Revival ihres eigenen Labels. Sie wollen laut der Presse sogar eigene Läden eröffnen. Stimmt das?

Inés d.l.F.: Oh, ja, das wünsche ich mir, es ist aber noch nicht Realität. Deshalb dachte ich mir, dass zwischenzeitlich ein Konzeptstore mit Uniqlo toll wäre. Aber davon wissen die noch nichts.

[Naoki Takizawa lächelt wieder höflich.]

Denn da gibt es doch all’ diese wunderbaren, japanischen Gadgets: die Papiersachen, die Bonbons, die Stempel und diese tollen Stifte, die wie Tipp-Ex funktionieren, aber heraus kommt ein Streifen mit lauter Mustern. Solche Sachen gibt es nur in Japan! Sie machen einen Strich und –  schwups – haben Sie lauter kleine Designs gemalt. Ganz zu schweigen von den super lustigen Kleberollen. Naoki hat mir auch ganz reizende Armbanduhren mit Hello-Kitty-Motiven mitgebracht. Das gäbe es dann alles in unserem Konzeptstore.

[Naoki Takizawa schaut Inès amüsiert an und schüttelt fragend den Kopf.]

Heute Nachmittag hatte ich noch eine andere gute Idee! Uniqlo hat mir nun bewiesen, dass sie gutes Design mit schönen Materialien zu günstigen Preisen machen können. In der Mode. Nun hätte ich gerne, dass sie das Ganze ausweiten auf eine Hotelkette. Dort gäbe es ganz feine Bettbezüge, in Weiß und aus guter Qualität. Das Dekor wäre sehr japanisch. So im Stil Zen. Aber vor allem wären die Räume gar nicht teuer, sehr sauber und schön. Wie damals in den 60ern in den Hilton Hotels, wo man wusste, dass man einen amerikanischen Standard erwarten konnte.

 

PO: Was wäre denn bei den günstigen Uniqlo Hotels Ihr Job?

Inès d.l.F.: Naoki macht die Dekoration und ich den Rest, so Handtücher und Seifen. Einen Roomservice gäbe es nicht. Aber das kümmert ja auch keinen. Nur eine Endreinigung. Das müsste reichen. Als Kunden hätten wir lauter junge Leute. Nein viel besser: kleinere, schmalere Betten sind für die Jüngeren und die großen, breiten Betten in den Suiten sind reserviert für die Alten, also für uns.

PO: Herr Takizawa, was halten Sie davon? Inès hat viele Pläne.

Naoki T.: Ja, ich weiß.

Inès d-l-F.: Sehen Sie, er hat schon genug von mir.

Modepilot-Interbiew-exclusiv-Ines_de_la_fressange-Fashion-BlogNaoki Takizawa, PO, Inès de la Fressange noch auf dem Sofa im Showroom, bald aber in der in Uniqlo Hotelkette. ;-)

Fotos: PR Uniqlo aus der Winterkollektion 2014-15