Die Wies’n naht und alle Jahre wieder betrifft mich das nicht die Bohne, dann das Oktoberfest und das Chambre Syndicale de la Haute Couture et de la Prêt-à-Porter in Paris reden nicht miteinander. Ich denke mal, beide Eventorganisationen stehen auf dem Standpunkt, dass an den Terminen eh nichts zu rütteln ist: In München: “Kruzifix, das ist seit Jahrhunderten so. Nix wird geändert!” In Paris: “Pas de question: Depuis des annees 1960 on n’a pas change!”. Betroffene der Terminüberlagerung müssen sich eben entscheiden. Folge: Ich besuche für Euch die Modeschauen in Paris und stemme keine Maßkrüge.
Doch warum ich mich nun trotzdem in die Dirndl-Mode einmische, hat einen ganz einfachen Hintergrund. Bei der Rückfahrt aus dem Bayern-Urlaub lag in der S-Bahn der Katalog vom Trachten Angermaier. Und was ich da drin fand, hat mich dann doch irgendwie sehr, na sagen wir mal, erstaunt. Ich stamme doch aus einer DER deutschen Trachtenregionen, deren Tracht sogar als Genre für Schnitte und Modelle Pate steht. Bei uns dahoam trägt man Tracht zur Arbeit, sind Dirndl und Lederhosen was ganz Normales und keine Anlassmode. Kurzum: Ich bin mit der Tracht aufgewachsen.
Also, ich blättere und denke mir: “Huch, was ist denn mit der Dirndlmode passiert?” Ich rede hier gar nicht von Rocklängen, die sind eh bei einem “echten Dirndl” so angelegt, dass man sie je nach Mode kürzt oder verlängert, nein, ich rede von der Mode an sich. Denn die hat sich in der Zeit, in der ich mich nicht mehr damit beschäftigt habe, ziemlich geändert und schaut in großen Teilen ziemlich anders aus als die Tracht, die mir beim Tegernseer Restaurantbesuch begegnet. Ich gehe mal ins Detail:
1. Ohne Miederschnürung geht heute nichts mehr! Siehe dieses Model der Luxus-Trachtenlabels Anina W.
Und diese Modelle hier von vom Trachten-Dirndl-Shop. Andere Preisklasse als oben, aber ebenso alle ausnahmslos mit Miederschnürung.
2. Die Farben sind intensiver als früher und wesentlich gewagter. Kurzum, das ist so bunt!
3. Der Mustermix-Trend aus der Designermode, konkret Karos zu Punkten und Streifen und Blumen und das alles einmal durcheinander (siehe Kollektionen von Dries van Noten, Marc Jacobs etc.), hat sich auch in der Trachtenmode niedergeschlagen. Hier zwei Beispiele der Marke ENA Trachen.
4. Dann gibt es bunte Lederhosen für Frauen. Die sind von Trachten Angermaier.
5. Blusen auf Halbmast mit freier Schulter haben sich auch durchgesetzt. Als ich vor zehn Jahren das letzte Mal auf der Wies’n war, galt das als Kennzeichen für ein Preußendirndl und für Einheimische war das ein NO-GO. Das scheint sich geändert zu haben.
6. Ist der üppige Unterrock, bzw. Petticoat zurück unter dem Dirndl. Das gab es schon zu Zeiten, als meine Mutter Dirndl trug. Sprich das ist ein modischer Wiederkehrer. Hier ein in meinem Augen echt schönes Model von Alpenmädel.
Morgen suche ich mal weiter, was es da in Sachen Dirndl sonst noch alles gibt. Da haben sich nämlich ganz neue Akteure auf den Markt gedrängt. Hoch interessant ist das. Aber im Augenblick muss ich mich erstmal ein bisschen von dem Farbrausch erholen. Deshalb auch das neue, recht graue Headerbild. Das beruhigt.
Fotos: Screenshots und Scans und PR Bilder von Trachten Angermaier, alpenmädel, ENA Trachten, Dirndl Shop, Anina W.