Ich habe eine goldene Regel bei den Modeschauen: Alles, was neu ist, schaue ich mir auf alle Fälle einmal an. Selbst wenn es nicht gut war, bekommt die Marke von mir eine zweite Chance. Hat sie diese vertan, gehe ich nicht mehr hin. Diese Fragen stelle ich mir bei der diesjährigen Haute Couture Debütantin Stéphanie Coudert gar nicht. Mich hat ihre Erstkollektion regelrecht begeistert. Diese Stoffe, diese Volumen, diese Rückenansichten, diese schlauen und ungewohnten Schnitte. Ich war wirklich hin und weg.
Wer ist diese Stéphanie Coudert? Sie ist nicht mehr die Jüngste: Aufgewachsen in Bagdad und Versailles (Hui, welche Gegenätze prallen da aufeinander? Nehmen wir mal an, dass ihre Eltern 1979 Teheran verlassen haben), studierte sie Modedesign an der Ecole Duperré, dann EMSAD und IFM, bevor sie als Assistentin bei Martin Margiela arbeitete. Sie gewann das berühmte Festival in Hyères und arbeitete dann vor allem für eine private Kundschaft, die bei ihr Haute Couture in Auftrag gab. O-Ton: “Ich machte Haute Couture im Geheimen.”
2004 wurde sie erstmals eingeladen, ihre Modelle auf der Haute Couture zu zeigen. Damals nähte sie alle alleine per Hand. Die Modelle waren danach in verschiedenen Ausstellungen zu sehen. Seit 2009 hat sie im Norden von Paris, konkret in Belleville, ein eigenes Studio und arbeitet dort als sogenannte “couturière en chambre” und “couturière particulière”, eine Schneiderin für erlesene Kundinnen. Rund 30 Frauen bestellen bei ihr Einzelstücke, doch mit der nun gezeigten Fashionshow könnte die 39-Jährige endlich aus dem Schatten ins Licht treten und einem größeren Publikum bekannt werden.
Wie kam es, dass diese bescheidene Frau mit den langen dunklen Haaren (und auch Mutter eines Kleinkindes) nun endlich ein größeres Publikum sucht. Laut französischer Presse traf sie einen Industriellen, der für große Pariser Modehäuser arbeitet und sich in ihre Handarbeit verliebte. Er bot ihr an, ihre Kollektion für die Haute Couture Schau zu produzieren. Ihre fünf Nähmaschinen wechselten in ein großtes Atelier, wo 20 andere Hände ihr zur Seite standen. Mit diesem Back-Up wagte sie den Schritt und eroberte gleich die Meinung des Mister Haute Couture, Didier Grumbach, der von ihr in höchsten Tönen schwärmt.
Unter uns: Ich sehe Stéphanie Coudert sogar noch viel weiter. Dass sie fast ausschließlich Tagesmode zeigte, die nicht nur super elegant, sondern extremst alltagstauglich ist, ist der Beweis, dass diese Designerin durchaus auch das Zeug hätte für die Prêt-à-Porter. Sie braucht dazu einen geldgeber. Ich hoffe, dass mit dieser vulminanten Show bald die ersten Angebote ins Haus flattern und wir bald von ihr noch mehr hören.
Hier der Rest der Kollektion:
Und das dazugehörige Modepilot-Video:
Fotos: Catwalkpictures
Video: Barbara Markert